Notar mit über 70 Jahren?
Warum das Bundesverfassungsgericht die 70-Jahres-Regelung bestätigen sollte
Am 25. März 2025 verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unter dem Aktenzeichen1 BvR 1796/23 über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Altersgrenze für Notare.
Bereits am 18.10.2023 hat das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren gegen den Antragsteller entschieden, jedoch bereits damals angekündigt, sich mit der Rechtsfrage im Hauptverfahren offen auseinanderzusetzen. Die Pressemitteilung finden Sie hier.
Als Notar mit langjähriger Erfahrung, Prüfer am Notarprüfungsamt der Bundesnotarkammer in Berlin und Mitglied des Vorstands der Westfälischen Notarkammer verfolge ich die Entscheidung natürlich mit großem Interesse, da sie auch meine zukünftige Planung beeinflussen wird.
Die anstehende Entscheidung wird weitreichende Konsequenzen für die Zukunft des Notariats in Deutschland haben. Nachfolgend möchte ich die rechtlichen Hintergründe und die Bedeutung dieser Regelung für unseren Berufsstand erläutern und darstellen, warum ich eine Altersgrenze für Notare für richtig halte.
Rechtlicher Rahmen der notariellen Altersgrenze
Die Bundesnotarordnung (BNotO) sieht in § 47 Nr. 2 in Verbindung mit § 48a BNotO vor, dass das Amt des Notars mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Diese Regelung existiert seit 1991 und wurde eingeführt, um eine ausgewogene Altersstruktur im Notariat zu gewährleisten. Vorher gab es teilweise Notare, die mit teilweise weit über 80 Jahren und manchmal erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ihr Amt dennoch ausgeübt haben.
Im Vergleich zu anderen Trägern öffentlicher Ämter wie Richtern oder Staatsanwälten, die bereits mit 67 Jahren in den Ruhestand treten müssen, ist die Altersgrenze für Notare aufgrund des späteren Berufseinstiegs (ein Anwaltsnotar muss zunächst fünf Jahre als Anwalt zugelassen sein, um überhaupt Notar werden zu können) sogar großzügiger bemessen.
Der aktuelle Fall vor dem Bundesverfassungsgericht wurde durch einen nordrhein-westfälischen Anwaltsnotar initiiert, der in der Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit sieht und der mit 70 Jahren aus dem Amt ausgeschieden ist.
Sein Hauptargument stützt sich auf einen angeblichen Nachwuchsmangel im Notariat, der die Altersgrenze obsolet machen würde, sowie den Ansatz angeblicher Altersdiskriminierung.
Warum die Altersgrenze für das Notariat unverzichtbar ist
Als praktizierender Notar erlebe ich täglich die Verantwortung, die mit unserem Amt verbunden ist. Die Aufrechterhaltung der Altersgrenze ist aus mehreren Gründen für unser Rechtssystem essentiell:
Generationengerechtigkeit und Nachwuchsförderung
Der Weg zum Notaramt ist lang und anspruchsvoll. Angehende Notare investieren erhebliche Zeit und finanzielle Mittel in ihre Qualifikation. Besonders im Anwaltsnotariat müssen zusätzlich zur anwaltlichen Tätigkeit „nebenbei“ weitere Prüfungen, vor allem seit 2010 die notarielle Fachprüfung beim Notarprüfungsamt, abgelegt werden.
Das bringt einen erheblichen Aufwand mit sich, tatsächlich ist dies eine schwierige Prüfung, die keineswegs eine nur formale Hürde darstellt. Zudem kostet alleine die Prüfung vor dem Notarprüfungsamt, an dem ich seit 2018 auch selbst als Prüfer tätig sein darf, mittlerweile eine Prüfungsgebühr von über 5.000 €.
Diese jungen Kolleginnen und Kollegen benötigen Planungssicherheit. Wenn erfahrene Notare unbegrenzt im Amt bleiben könnten, würde dies den beruflichen Aufstieg des Nachwuchses vollständig blockieren, da in jedem Amtsgerichtsbezirk nur eine bestimmte Anzahl an Notaren zugelassen werden kann.
Die Statistiken der Bundesnotarkammer zeigen: Trotz regionaler Unterschiede besteht bundesweit ein Verhältnis von etwa drei Bewerbern auf jede freiwerdende Notarstelle.
Von einem flächendeckenden Nachwuchsmangel, wie er durch den Kläger schon in den Instanzen bis zum Bundesgerichtshof geltend gemacht wurde, kann daher keine Rede sein. Regionale Engpässe im Anwaltsnotariat sind eher auf strukturelle Faktoren zurückzuführen und rechtfertigen nicht die Abschaffung der Altersgrenze. Vielmehr würde der Wegfall der Altersgrenze zu ganz erheblicher Verschärfung von Nachwuchsproblemen wegen fehlender Planungssicherheit nachfolgender Notare führen.
Qualitätssicherung der notariellen Tätigkeit
Als Notar stelle ich täglich öffentliche Urkunden aus, die besonderen Beweiswert genießen und teilweise über Jahrzehnte rechtliche Wirkung entfalten. Die hohen Anforderungen an die Qualität notarieller Arbeit setzen eine kontinuierliche und zeitgemäße Rechtsanwendung voraus. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (zuletzt im Oktober 2024) betont, dass Notare als Träger eines öffentlichen Amtes besonderen Regelungen unterliegen dürfen, die die Qualität der Rechtspflege sicherstellen. Eine zutreffende Einordnung dieses Urteils des EuGH kann man hier nachlesen:
Systemkohärenz im öffentlichen Dienst
Als Notar übe ich ein öffentliches Amt aus. Die Altersgrenze steht im Einklang mit vergleichbaren Regelungen für andere Amtsträger wie Richter und Staatsanwälte. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom August 2023 ausdrücklich die Parallelität zu anderen öffentlichen Ämtern betont und die Altersgrenze als systemkonform bewertet.
Flexible Berufsperspektiven auch nach dem Notaramt
Eine Besonderheit unseres Berufsstandes liegt darin, dass mit dem Ende der notariellen Tätigkeit nicht zwangsläufig das Berufsleben endet. Gerade für Anwaltsnotare bestehen vielfältige Möglichkeiten:
- Fortführung der anwaltlichen Tätigkeit ohne zeitliche Begrenzung
- Übernahme von Notarvertretungen nach § 6 BNotO
- Beratende Tätigkeiten im Bereich der vorsorgende Rechtspflege
Diese Flexibilität unterscheidet uns von anderen öffentlichen Amtsträgern und relativiert den Eingriff in die Berufsfreiheit erheblich. Das Notaramt wird mit 70 abgegeben. Als Rechtsanwalt / Rechtsanwältin kann der ausscheidende Notar bzw. die ausscheidende Notarin aber unbeschränkt weiterarbeiten.
Rechtsprechung und Gesetzgebung bestätigen Notwendigkeit
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Altersgrenzenregelung mehrfach bestätigt:
- Der BGH hat im August 2023 die Vereinbarkeit mit EU-Recht festgestellt
- Der EuGH akzeptierte Altersgrenzen als legitimes Mittel zur Qualitätssicherung
- Das BVerfG selbst hat in vergleichbaren Fällen einen weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum anerkannt
Der Gesetzgeber hat mit der Novelle der BNotO 2021 zwar Entlastungsinstrumente für regionale Engpässe geschaffen (§ 48b BNotO), aber bewusst an der Altersgrenze festgehalten.
Rechtsprechung und Gesetzgebung bestätigen Notwendigkeit
Als aktiver Notar und Vertreter des Anwaltsnotariats im Vorstand der Westfälischen Notarkammer setze ich mich für den Erhalt der Altersgrenze ein. Verantwortungsbewusstsein für und fairer Umgang mit dem Nachwuchs in unserem Beruf machen es erforderlich, Notarstellen zeitnah zum Erreichen der Regelaltersrente freizugeben.
Die Aufhebung der Altersgrenze wäre ein falsches Signal an die junge Generation und könnte die ohnehin herausfordernde Nachwuchsgewinnung zusätzlich erschweren.
Als erfahrener Notar ist mir bewusst: Unser Beruf lebt von der Balance zwischen erfahrenen Amtsträgern und frischem juristischen Nachwuchs.
Die mündliche Verhandlung am 25. März 2025 wird zeigen, wie das Bundesverfassungsgericht diese komplexen Abwägungen bewertet.
Aus der bisherigen Rechtsprechung und den überzeugenden sachlichen Gründen lässt sich jedoch eine Bestätigung der bewährten Altersgrenze prognostizieren – zum Wohle der Rechtssicherheit und unseres Notariats in Deutschland.
Ob die Grenze von 70 Jahren zwingend ist, darüber kann und wird sicher auch in Sichtweite der Erhöhung der Lebensarbeitszeit für Arbeitnehmer diskutiert werden. Die Abschaffung der Altersgrenze sollte sehr genau abgewogen werden, deren Nachteile würden aus meiner Sicht erheblich überwiegen.